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Engagement im ältesten Frauenzentrum Papuas in Indonesien

Hiba Drissi

Einsatzort: Papua, Indonesien

Organisation: Vereinte Evangelische Mission (VEM)

Die Freiwillige Hiba Drissi ging nach ihrem Abitur im Herbst 2023 weltwärts nach Indonesien. Über eine Nachbarin in ihrer Heimatstadt Wiesbaden kam sie bereits vor ihrem Freiwilligendienst mit Themen im Bereich der Frauenheilkunde sowie Sozialarbeit in Kontakt, wodurch sie sich für einen Freiwilligendienst im ältesten Frauenzentrum für Bildung und Entwicklung in Papua entschied.

Vielfältige Einsatzstelle

P3W steht für Pusat Pembinaan dan Pengembangan Wanita und ist das älteste Frauenzentrum für Bildung und Entwicklung in Papua. Ziel des Zentrums ist es insbesondere Frauen zu befähigen, sich selbst aktiv gegen Gewalt zu stellen und lokal politisch zu partizipieren. Neben der Weiterbildung von Frauen im Bereich der familiären Gesundheitsvorsorge, bildet das P3W auch Frauen aus weit abgelegenen Dörfern im Hochland zu „Sozialarbeiterinnen“ aus. Inzwischen hat das P3W auch einen eigenen Informations-, Dokumentations-, und Forschungsbereich, um Studien über soziale Traumata in Papua zu veröffentlichen. Das P3W fungiert daneben auch als Seelsorgezentrum und Zufluchtsort für häusliche Gewalt und Misshandlung.

Zwei Frauen lächeln direkt in die Kamera. Die Linke der beiden hält ihre Hand flach hoch, in welcher grüne Früchte liegen.
Die Freiwillige Hiba mit ihrer Kollegin im Einsatzprojekt.

Die Mitarbeiterinnen leisten im P3W unglaublich wertvolle Arbeit für die Papua Gesellschaft. Durch die sprachliche Barriere konnte ich bei den Projekten wenig eigene Beiträge leisten. Meine Aufgabe bestand vor allem darin von Ihnen zu lernen, indem ich Projektarbeiten begleiten durfte. Zuletzt hatten wir gemeinsam mit Schüler*innen aus finanziell benachteiligten Familien der Region ein Gartenprojekt veranstaltet. Hier habe ich gemeinsam mit den Schüler*innen Plastikflaschen zu Blumentöpfen recycelt und über Umweltschutz und Nachhaltigkeit gesprochen.

Zu meinen Hauptaufgaben gehörte außerdem Englischunterricht für Mitarbeiterinnen, um sie zu einer besseren Kommunikation mit internationalen Partner*innen zu befähigen. Weiterhin war meine Hilfe auch beim Fundraising gefragt. Um Projektarbeiten zu finanzieren, verfügt das Zentrum über ein eigenes Hostel, indem gelegentlich Aktivist*innen und Tourist*innen aus aller Welt unterkommen. Hier waren meine Englischkenntnisse gefragt, aber auch beim Frühstück vorbereiten und kochen für die Gäste habe ich immer gerne geholfen. Mittlerweile arbeite ich überwiegend als Englischlehrerin in den umgebenen Regionen meiner Gemeinde und der Universität Samuel Kijine.

Drei Frauen stehen in einer Küche. Eine der dreien steht an einem Herd mit einer großen Schopfkelle in der Hand sowie einer großen Pfanne vor sich. Alle drei lächeln in die Kamera.
Hiba mit zwei Kolleginnen des Frauenzentrums.

Adat bezeichnet in Indonesien die traditionellen Gesetze, Bräuche und Normen, die je nach ethnischer Gruppe und Region variieren. Diese informellen Regelwerke betreffen alle Lebensbereiche, von Landwirtschaft über Familienangelegenheiten bis hin zu Konfliktlösungen. Adat hat trotz des modernen Rechtssystems weiterhin große Bedeutung, besonders in ländlichen und indigenen Gemeinschaften. Es fördert den sozialen Zusammenhalt durch gemeinsame Werte und friedliche Konfliktlösung. Adat-Rechte, insbesondere in Bezug auf Land und Ressourcen, haben an Bedeutung gewonnen, und die indonesische Verfassung erkennt diese Rechte an. Es gibt Bestrebungen, sie in der nationalen Gesetzgebung weiter zu stärken.

Herausforderungen als Freiwillige

Ich muss sagen, dass man hier durch die „adat“ noch sehr an traditionellen Rollenbildern festhält. Das bleibt in meinem Alltag natürlich nicht unbemerkt. Rauchen, kurze Bekleidung oder abends als Frau alleine das Haus zu verlassen, sind für viele Menschen noch immer absolute No Go´s. Ansonsten fällt mir immer wieder auf, dass man es öffentlich meidet über Politik zu sprechen. Am Unabhängigkeitstag sollte ich aus Sicherheitsgründen meine Einsatzstelle nicht verlassen.

Mir ist es wichtig die indonesische adat anzunehmen und meine eigenen Überzeugungen herauszufordern und zu erweitern […] Ich bin diesen Dienst angetreten, um Indonesien zu erleben. Als Mitglied dieser Gesellschaft ist es mit wichtig zu demonstrieren, dass ich willens bin, die Kultur hier und damit eben auch die adat zu respektieren und anzunehmen.

Oft saß ich abends mit Freundinnen auf dem Balkon und fragte mich, ob sie es nicht missen, mal bis in die Nacht auszugehen. Aber ich habe gelernt, dass Sozialisieren hier einfach auch auf andere Weise funktioniert. Betelnuss kauen mit den Nachbarn, stricken, Motorradfahren, zusammen den Sonnenuntergang sehen, Karaoke singen usw. Zudem bewege ich mich überwiegend in sehr liberalen Kreisen. Mir sind meine Freunde hier schon sehr ans Herz gewachsen.

Ich verbringe ein Jahr in diesem Land. Ich bin diesen Dienst angetreten, um Indonesien zu erleben. Als Mitglied dieser Gesellschaft ist es mit wichtig zu demonstrieren, dass ich willens bin, die Kultur hier und damit eben auch die adat zu respektieren und anzunehmen, dementsprechend passe ich mich kleidungstechnisch an und versuche mein Verhalten bestmöglich an das der Einwohner anzupassen, ohne meine eigenen Überzeugungen und Bedürfnisse zu vernachlässigen.

Fünf Personen stehen nebeneinander in einer grünen Landschaft. Alle lächeln in die Kamera, die rechte Person streckt ihren linken Arm in die Luft.
Hiba gemeinsam mit Mitfreiwilligen und Freund*innen.

„Go with the Flow“

Ich denke das Motto: „Go with the Flow“ hat mich hier sehr geprägt. Wir alle sprechen immer davon, „es einfach mal auf uns zukommen zu lassen“, oder sich einfach mal zu „entspannen“ während unsere Terminkalender mit hunderten To-do´s und Terminen gefüllt sind. Deutschland ist das Leitbild einer Leistungsgesellschaft und mir ist nie aufgefallen, wie sehr ich bestimmte Ideale die dieser entspringen bereits internalisiert hatte. Zwischen Schule, Arbeit, Freizeit und Terminen war alles immer streng getaktet.

Hier in Papua scheint dieser Balance Akt gesellschaftlich kaum Relevanz zu haben. Man ist meines Erachtens viel optimistischer und meidet es einfach sich zu stressen, sei es über Probleme, die Arbeit oder Termine. Alles „wird schon irgendwie“. Das eigene Wohlbefinden geht immer vor. Das heißt, dass es auch mal sein kann, dass man einfach eine Stunde später zum Arzttermin kommt und das absolut keine Konsequenzen hat. Die Menschen stehen hier meist schon um fünf Uhr morgens auf, erledigen in der Morgenruhe den Haushalt und Arbeit und legen sich dann aufgrund der Hitze, Mittags wieder schlafen. Man nimmt sich für alles seine Zeit, man lebt hier einfach langsamer könnte man sagen. Das war anfangs doch sehr schwierig für mich.

Da ich in meiner Einsatzstelle vehement nach neuen Aufgaben fragte, wurde ich in den ersten Monaten immer wieder gefragt warum ich so gestresst sei. Auf offener Straße riefen mir Menschen oft zu warum ich so schnell laufen würde und ob ich es eilig hätte. Probleme wollte ich immer sofort lösen und Pünktlichkeit setzte ich immer voraus und nahm es persönlich, wenn man verspätet zu Verabredungen oder meinem Unterricht eintraf.

Mir war gar nicht bewusst, dass ich mich so „hetze“. Mittlerweile habe ich zwar noch meine Routinen, bin aber viel offener für Planänderungen und integriere vielmehr Ruhephasen in meinen Alltag. Diese Ruhephasen und das langsamere Leben (hier auch „Istirahat“ genannt ) steigern mein Wohlbefinden ungemein. Mehr „Istirahat“, will ich deshalb auch, nach meiner Rückkehr, in meinen deutschen Alltag einbauen.

Die Indonesier*innen, die ich kennenlernen durfte, sind unfassbar aufgeschlossen, neugierig, und keinesfalls schüchtern.

Welche drei Dinge verbindest du persönlich mit Indonesien?

  1. Den Reiskonsum. Reis ist hier wirklich das Grundnahrungsmittel. Morgens, mittags und abends isst man hier gerne Reis. Natürlich gibt es hier und da auch mal was anderes, aber Reis werde ich für immer mit Indonesien verbinden.
  2. Die lieben Grüße und intensiven Gespräche, wo immer man hingeht. Sei es auf dem Weg zur Schule oder zum Markt, überall wird man freundlich gegrüßt oder beschenkt. Die Menschen fragen, wo man hinmöchte, ob man eine Mitfahrgelegenheit braucht und wo man herkommt. Die Indonesier*innen, die ich kennenlernen durfte, sind unfassbar aufgeschlossen, neugierig, und keinesfalls schüchtern.
  3. Karaoke. Indonesier*innen lieben es einfach zu jedem Anlass Karaoke zu singen. Viele Familien haben eine riesige Soundanlage Zuhause und sonntags tönt es aus allen Häusern und Cafés.
Drei elegant gekleidete Frauen stehen in einem Raum nebeneinander und lächeln in die Kamera. Im Hintergrund sind verschiedene Flaggen zu sehen sowie die Folie einer projizierten Präsentation.
Drei Kolleginnen von Hiba während einer Konferenz.