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Artenschutz weltweit: Vom Freiwilligendienst auf den Philippinen zur weltweit tätigen Tierärztin

Hannah Emde

Einsatzort: Insel Negros, Philippinen

Organisation: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Hannah Emde ist Tierärztin, Buchautorin und Moderatorin bei Terra X im ZDF. Ihr Herz schlägt für den Artenschutz, ihr Lieblingsort ist der Dschungel. Nach dem Abitur ging Hannah als weltwärts-Freiwillige auf die Philippinen, um dort an einer Uni ein Umweltbildungsprojekt zu unterstützen. Im Gespräch mit Mathias erzählt die 31-Jährige, wie der weltwärts-Freiwilligendienst sie in ihrem weiteren Lebensweg beeinflusst hat.

Hast du dir das Leben als Tierärztin so vorgestellt, wie du es jetzt derzeit lebst?

Hannah: Nein, tatsächlich nicht. Ich wollte wirklich schon immer Tierärztin werden, aber ich hätte nie gedacht, dass ich das so richtig als Beruf machen kann. Das kam für mich wirklich eher im Studium, während meiner Praktika und meiner weltwärts-Zeit im Ausland raus, dass das wirklich eine Fachrichtung ist, in der ich später arbeiten werde.

Hannah sitzt auf einem Weg mitten im Regenwald und hält Ausschau nach Tieren in den Baumkronen.
Hannah fühlt sich im Regenwald wunderbar wohl. Der Dschungel ist ihr Lieblingsort.

Was sind deine Aufgaben, die du als Wildtierärztin auf Reisen übernimmst?

Hannah: Wenn ich als Tierärztin auf einer Station bin, dann unterstütze ich die einzelnen Forschenden bei ihrer Arbeit. Der britische Forscher Andy zum Beispiel arbeitet schon seit zehn Jahren am Sunda-Nebelparder. Das ist eine wunderschöne Raubkatze, die nur auf Borneo und Sumatra vorkommt. Um mehr über ihr Verhalten rauszufinden, werden die Tiere mit Sendern ausgestattet. Sobald er als Biologe das Tier in Narkose legen möchte, braucht er einen Tierarzt oder eine Tierärztin. Nur wir sind geschult mit Betäubungsmitteln umzugehen und Tiere in Narkose zu legen. So kommt es, dass eine Stationstierärztin oder ein Tierarzt für alle Projekte verantwortlich ist. Sobald ein Tier gefangen wird, kommt eben die Tierärztin ins Spiel.

Tierschutz vs. Artenschutz

Der Tierschutz widmet sich der Bewahrung einzelner Tiere.  Artenschutz hingegen zielt auf die langfristige Sicherung des Bestands von Tierarten (und Pflanzen) und ihrem Lebensraum.

Bist du auch für die Betreuung der Tiere nach dem Aufwachen zuständig?

Hannah: Genau. Es ist wichtig, dass gerade bei den Raubkatzen oder Affen, die gerne mal klettern, gewartet wird, bis die Tiere wieder ganz wach sind. Sonst wäre es gefährlich, wenn die Tiere noch im Halbschlaf sind und dann am Baum hochklettern und plötzlich runterfallen.

Während ihrem Freiwilligendienst legte Hannah den Grundstein für ihre berufliche Laufbahn als Wildtierärtzin. Hannah verarztet einen Sunda-Nebelparder.
Nur ein Tierarzt oder eine Tierärztin darf Tiere in Narkose legen. Hier verarztet Hannah einen Sunda-Nebelparder.

Wie kamst du zur Wildtiermedizin?

Hannah: Ich habe sechs Jahre Tiermedizin studiert. Erst durch meine praktische Arbeit habe ich mich mehr auf Wildtiere fokussiert. Ich bin großer Fan von Katzen und Hunden, aber ich habe gemerkt, dass die Kleintierpraxis und Kliniken nicht meine Faszination sind. Für mich geht es gar nicht so sehr um die Tierart. Nur das Einzeltier gesund zu machen, das reicht mir nicht. In der Wildtiermedizin schaue ich auf die ganze Population und das Zusammenspiel der Tiere mit ihrem Lebensraum.

In der Wildtiermedizin muss dafür gesorgt werden, dass die Lebensräume gesund sind, dass das Ökosystem intakt ist und die Arten aufeinander abgestimmt funktionieren können. Nur dann kann so eine Art überleben. Ich glaube, dieses große Ganze zu sehen und zu behandeln, das ist eher das, was mich an meinem Job so fasziniert.

Ist es manchmal schwer, in einem Land im Umweltschutz zu arbeiten, wenn es den Menschen in der Region selber nicht so gut geht oder wenn sie sogar ums Überleben kämpfen?

Hannah: Absolut. Also, ich muss ganz klar sagen, dass mich das Jahr als Freiwillige auf den Philippinen total geprägt hat, weil ich dafür sensibilisiert wurde, dass die Menschen vor Ort in einer ganz „anderen“ Welt leben; sie haben andere Umstände und wir können auf keinen Fall unsere Vorstellungen aus Deutschland auf sie überstülpen. Ich finde, es ist erstmal mein Job herauszufinden, wie die Menschen leben, welche Probleme sie haben und welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen, um dann gemeinsam zu überlegen, wie Lösungsansätze aussehen könnten.

Am Beispiel der Elefanten lässt sich das gut verdeutlichen: Für uns in Deutschland sind Elefanten Wildtiere. Wir haben eine romantische Vorstellung von ihnen: Wir wollen sie auf Safari und in großen Herden am Wasserloch sehen. In Thailand, wo es sehr viele Elefanten gibt, leben sie aber gar nicht mehr in der Wildnis. Dafür gibt es nicht mehr genug Lebensraum. Dadurch kommt es zum Konflikt zwischen Menschen und Elefanten. Dieser Mensch-Wildtier-Konflikt wird dort immer schärfer: Die Menschen haben Angst vor den Tieren. Elefanten sind natürlich viel stärker, sie können komplette Ernten zertreten und sogar einen Menschen töten. Ich als Außenstehende kann den Menschen nicht vorschreiben, dass sie die Elefanten alle schützen müssen. Stattdessen muss ich ihre Ängste nachvollziehen und gemeinsam nach Lösungen überlegen. Diese Sensibilität gegenüber unterschiedlichen Kulturen und Lebensarten habe ich durch mein weltwärts-Jahr schon sehr früh nach der Schule gelernt und kann das Gelernte jetzt immer anwenden und mitnehmen.

Welche Bedeutung hat dein weltwärts-Jahr heute in deinem Leben?

Hannah: Eine sehr große. Während meines weltwärts-Freiwilligendienstes auf den Philippinen war ich zum ersten Mal so weit weg. Ich war zwar schon ein Jahr vorher mit den Pfadfindern in Südafrika, aber die Philippinen waren für mich wirklich ab vom Schuss. Mit 18 Jahren und für 12 Monate in ein fremdes Land zu gehen, das war sehr aufregend. Was mich geprägt hat, ist 12 Monate in so einer fremden Kultur zu leben. Das Tolle ist, dass man durch den Job, die Nachbarschaft und die philippinischen Freund*innen und Kolleg*innen wirklich tief in die Kultur eintaucht. Du bist nicht als Touristin vor Ort, sondern versuchst mitzuarbeiten, dich einzufinden und dich anzupassen. Das hat mir sehr die Augen geöffnet und mir Sensibilität für Unterschiede in den Kulturen gegeben.

Mir war es ganz wichtig die Sprache schnell zu lernen, was auf den Philippinen nicht leicht ist. Jede Insel hat einen eigenen Dialekt. Bei uns war es Tilongo. Hilfreich war, dass wir zu Beginn des Freiwilligendienstes in der Vorbereitung einen Sprachkurs in Manila, der Hauptstadt, absolviert haben.

»Du bist nicht als Touristin vor Ort, sondern versuchst mitzuarbeiten, dich einzufinden und dich anzupassen. Das hat mir sehr die Augen geöffnet und mir Sensibilität für Unterschiede in den Kulturen gegeben.«

Was hast du vor Ort gemacht?

Hannah: Ich habe anfangs an der Universität mit zwei anderen Freiwilligen gearbeitet und gemeinsam mit Studierenden, auch Lehrkräften, vor Ort Umweltbildung betrieben. Ich habe mich dann auf einen Bereich mit Tieren spezialisiert, weil es eine Art „Lernzoo“ von der Universität gab. Dort habe ich in der Tierpflege geholfen. Gemeinsam haben wir für Schulklassen und für Studierende ein eigenes Umweltbildungskonzept für den Lernzoo entwickelt. Später kam noch ein ganz spannendes Forschungsprojekt von der Uni hinzu. An der Uni haben Studierende mit einer indigenen Gemeinschaft zusammengearbeitet: Aufgabe war es die alten Traditionen festzuhalten.  Ich habe traditionelle Medizin und traditionelle Kochkünste untersucht. Das sah so aus, dass wir wochenlang mit den Menschen in den Bergen gelebt und ganz viele Interviews geführt, Fotos gemacht und sogar einen Film darüber gedreht haben. Wir waren mehrmals im Jahr dort und wir waren immer mit lokalen Studierenden vor Ort. Das war ein sehr, sehr prägendes Erlebnis.

Gibt es einen Moment, der dich besonders geprägt hat?

Hannah: Auf den Philippinen habe ich das erste Mal so eine extreme Vielfalt an Natur, an Lebensräumen und Tieren kennengelernt. Es ist ein Biodiversitäts-Hotspot, das heißt, dort leben unglaublich viele Arten. Genau daneben habe ich ganz krasse Zerstörung kennengelernt: Tote Korallenriffe, vermüllte Strände und abgeholzter Regenwald. Mir war vorher nicht bewusst, dass diese Bereiche so nah aneinander liegen können. Das hat mich damals mit 18 auf der einen Seite schwer fasziniert, diese Schönheit und Vielfalt kennenzulernen und auf der anderen Seite auch extrem geschockt, was der Mensch eigentlich alles anrichtet und wie weit er in die Wildnis vorgedrungen ist.

»Ich glaube, da wurde schon damals auf den Philippinen der Samen gesät, dass ich mich mein Leben lang für den Artenschutz einsetzen möchte und eben dafür kämpfen möchte, dass diese Lebensräume erhalten bleiben.«

Warum sie mit einer vier Meter langen Python im Dschungel gerungen hat und wie sie es schafft, sich schnell an fremden Orten zu Hause zu fühlen, all das verrät sie im Podcast.